2023 wird das österreichische Privatstiftungsgesetz dreißig Jahre alt. Die (Kurz)Geschichte der Privatstiftung in Österreich ist eine Erfolgsgeschichte. Zwei Drittel der Privatstiftungen halten unternehmerisches Vermögen. Dazu zählen zahlreiche Familienunternehmen und bedeutsame privat geführte Unternehmen. Das Funktionieren der Privatstiftung ist daher von herausragender Bedeutung für die darin zusammengefassten Unternehmen und Unternehmensgruppen und damit für die (gesamt)österreichische (Volks)Wirtschaft.
Die Reform betrifft über 3.000 Privatstiftungen. Als leistungsstarke Rechtsform trägt jede Privatstiftung zum Wohl der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft mit der Förderung unternehmerischer Stabilität bei, schützt Unternehmen vor internationalen Zugriffen und Zersplitterung und ist der stabile Anker von Arbeitsplätzen in Österreich und Innovation als Antrieb für mehr Nachhaltigkeit.
Nach dem aktuellen Regierungsprogramm ist die Reform und Attraktivierung des Privatstiftungsrechts im internationalen Vergleich, explizit die Stärkung der Begünstigtenstellung, ein verantwortungsvolles Vorhaben in der laufenden Legislaturperiode. Das kommende Jubiläum ist der ideale Zeitpunkt um im Stiftungsrecht nach breiten Erfahrungen zu Generationenwechsel, über Alter und Krankheit stiftungsrelevanter Betroffenen bis zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer weltweiten Pandemie notwendige Anpassungen vorzunehmen.
Der Österreichische Stiftungsverband hat im Jahr 2021 mit der Erstellung praxisnaher, wissenschaftlich geprüfter Reformvorschläge begonnen, die er nun auf den Tisch legt. Grundlage aller Überlegungen ist neben der Expertise ausgewiesener Wissenschaftler:innen der laufende, vornehmlich der Praxis gewidmete Austausch mit den Verbandsmitgliedern.
Bei der am 1. Februar 2022 vom ÖStV veranstalteten Online-Diskussion, an der sich Stifter:innen, Stiftungsvorstände und hochkarätige Expert:innen beteiligten, wurde deutlich, dass vor allem in den ersten Jahren des Bestehens der Rechtsform Privatstiftung Gestaltungen gewählt wurden, die sich heute in diverser Weise als unpassend herausstellen und einer Reparatur bedürfen. Dazu kommen die ultimative Versteinerung der Privatstiftung, wenn Stifter:innen nicht sachgerecht vorgesorgt haben, und eine zermürbende Rechtsunsicherheit in wesentlichen Fragen der Governance der Privatstiftung. Und eine große Zahl von Stifter:innen fühlt sich in der Rechtsform Privatstiftung zwangsjackenhaft eingesperrt.
Die zivilrechtlichen Vorschläge des ÖStV sind:
- Dauerhafte Sicherung des Funktionierens der Privatstiftung durch die Stifterfamilie als wirtschaftlich Interessierte durch klar geregelte Mitwirkungsbefugnisse (echte Kontrollrechte, Zustimmungsrechte, etc). Dadurch werden bestehende strukturelle Kontrolldefizite gemindert.
- Einmalige Sanierungsmöglichkeit der maßgeblichen Stifterreche, die binnen einer Frist genutzt werden muss, um geänderten persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen (Generationenwechsel, familiäre Veränderungen, Wechsel von Unternehmensträgerstiftung zu Veranlagungsstiftung und umgekehrt) Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig vom Bestehen einer Änderungsmöglichkeit durch den Stifter. Dazu soll der Stiftungsvorstand auch nach dem Tod der Stifter:innen und nach Erlöschen der Änderungsrechte in eingeschränktem Maß Änderungen der Stiftungserklärung vornehmen können, auch wenn die strengen Voraussetzungen der geänderten Verhältnisse nicht vorliegen, um die Organisationsregelungen der Privatstiftung (zB Schaffung eines Beirats, Neuzusammensetzung, Vergütungsregelung, ergänzende Vorsehung eines gemeinnützigen Zweckes) zu ändern.
Zur angepeilten Attraktivierung des Privatstiftungsrechts gehört auch die Möglichkeit, die Entscheidung der Errichtung einer Privatstiftung nach einiger Zeit überdenken und sich für eine andere Rechtsform entscheiden zu können. Von praktischer Bedeutung ist eine solche Regelung erst in Verbindung mit steuerlichen Begleitmaßnahmen, auf die zeitnah im ÖStV noch gesondert eingegangen werden wird.
Im nächsten Schritt werden nun die lebhaft diskutierten Reformvorschläge feingeschliffen und Ihnen zur Kenntnis gebracht. Ihren Rückmeldungen sehe ich erwartungsvoll entgegen.
Mit besten Grüßen in schweren Zeiten,
Ihre Cattina Leitner