Das Stiftungswesen
STIFTUNGEN – EIN RECHTSINSTITUT MIT GESCHICHTE
Bereits der Codex Justinians sieht unter dem Begriff der „Piae Causae“ die Möglichkeit der Gründung von Anstalten, die frommen –später gemeinnützigen – Zwecken gewidmet waren (wie z.B. Krankenspitäler, Altersspitäler, Armen- und Waisenhäuser) vor.
Blütezeit des Stiftungswesens etwa in Form von Hospitalstiftungen, Pfründestiftungen und Kirchenstiftungen. Im späten Mittelalter kommt es sukzessive zur Verweltlichung des Stiftungswesens.
Nach Aufklärung und Säkularisation erlebt das Stiftungswesen eine neue Blüte. Gesetze und Verordnungen für Stiftungen werden erlassen und sie erhalten eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die Behörden der Länder übernehmen die Angelegenheiten von Stiftungen (Hofdekret vom 21.05.1841; 1897 erstmals Stiftungsrecht auf Länderebene).
Gefolgt von der Hochblüte des Stiftungswesens mit rund 10.000 Stiftungen in Fonds in Österreich geht die Zahl bis zum Zweiten Weltkrieg auf 5.700 zurück.
Wiederbelebung des Stiftungswesens. 1954 wird das Stiftungs- und Fondsreorganisationsgesetz verabschiedet.
Das Bundesstiftungs- und Fondsgesetzes (BStFG) tritt 1975 in Kraft und auf Länderebene werden in Salzburg, Niederösterreich und Tirol entsprechende Gesetze verabschiedet; Stiftungen können lediglich zu gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken geschaffen werden. 1983 bestehen 400 Stiftungen in Österreich, davon rund 260 Landesstiftungen. Im Jahr danach setzt sich vor allem der Wiener Dr. Franz Helbich für die Entwicklung eines zeitgemäßen, modernen Stiftungsrechts ein.
Ministerialentwurf des Bundesministeriums für Justiz (GZ 10.065/24-13/92) – https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XVIII/ME/289
Beschluss des Nationalrats – BGBl. Nr. 694/1993
Das Bundesgesetz über Privatstiftungen (Privatstiftungsgesetz–PSG) wird von allen Parlamentsfraktionen einstimmig beschlossen, inklusive aller steuerrechtlichen Maßnahmen, die über die Jahre (bis 2010) schrittweise wieder zurückgenommen wurden.
Der „Verband Österreichischer Privatstiftungen (VÖP)“ wird gegründet und heißt seit 2019 „Österreichischer Stiftungsverband (ÖStV)“.
BGBl 2001, 98: 1 Mio Schilling wurde in 70.000 Euro Mindestkapital umgewandelt (§ 4), § 15 Abs 1 PSG: nicht österreichischer Wohnort, sondern in der europäischen Gemeinschaf; (bloß technische Änderungen)
BGBl 2005, 120 – § 1 Eingetragene Personengesellschaft/Verwendung der Gesetzesabkürzung UGB statt HGB; (bloß technische Änderungen)
BGBl 2009, 75 – 15 Abs 3: Erweiterung der Unvereinbarkeitsregelungen auch auf Lebensgefährten bei juristischen Personen sowie Ausdehnung der Unvereinbarkeitsregelungen auch auf eingetragene Partner (ganz kleine inhaltliche Anpassung)
BGBl 2010, 58 – Terminologische Anpassungen in § 35 Auflösung: technische Erweiterung bei Konkurs (bloß technische Klarstellung)
§ 5: Meldepflicht für Begünstigte;
§ 14 PSG Abs 3 und Abs 4 neu: Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands durch weitere Organe;
15 Abs 2: Lebensgefährte auch dort eingefügt (Redaktionsversehen nachgebessert);
15 Abs 3a: Berater, die die Interessen eines Begünstigten vertreten, unterfallen der Unvereinbarkeit im Stiftungsvorstand (einzige inhaltliche materielle Änderung von Bedeutung)
2011 wird der Höchstbestand in Österreich mit 3.313 aktiven Privatstiftungen erreicht.
BGBl 2015, 112 – Überführung des Straftatbestands für Bilanzfälschung (§ 41 PSG in § 163c Z 10 StGB) (bloß technische Änderung)
Das österreichische Privatstiftungsgesetz (PSG) feiert seinen 30. Geburtstag. Bisher wurden in Österreich 4.037 Privatstiftungen gegründet, rund ein Viertel davon wieder gelöscht. Nach wie vor bestehen in Österreich mehr Privatstiftungen als Aktiengesellschaften.
Die wichtigsten Fragen
Was ist eine Privatstiftung?
Wie funktioniert eine Privatstiftung?
Warum bedarf das Privatstiftungsgesetz (PSG) einer Reform?
Eine Privatstiftung ist eine Rechtsform, die durch eine Stiftungserklärung, einen Notariatsakt und eine Firmenbucheintragung entsteht. Sie ist eine juristische Person ohne Eigentümer und verfügt über ein Vermögen, welches vom Stifter oder der Stifterin eingebracht wird. Bestandteil der Stiftungserklärung ist auch immer der Stiftungszweck, in dessen Sinne das Vermögen genutzt, verwaltet oder auch verwertet wird.
Der Privatstiftung liegt nämlich der Gedanke zugrunde, dass mit einem „eigentümerlosen“ Vermögen ein bestimmter Zweck besser, zielstrebiger und auch dauerhafter verwirklicht werden kann, als wenn das Vermögen mit dem Schicksal des Stifters oder der Stifterin und dem der Rechtsnachfolgen verbunden bliebe und etwa in eine Gesellschaft eingebracht würde, die von den Gesellschaftern und Gesellschafterinnen beeinflussbar ist. Mit der Errichtung einer Privatstiftung kann eine auf Grund der Erbfolge drohende Zersplitterung und Teilung von Familienunternehmen verhindert werden. Es kann sichergestellt werden, dass das Lebenswerk des Stifters oder der Stifterin auch über den Tod hinaus erhalten bleibt und im gewünschten Sinn verwaltet wird.
Da es eine Vielzahl von Stiftungen mit sehr unterschiedlichen Stiftungszwecken gibt, kann diese Frage nicht einheitlich beantwortet werden. Damit eine Privatstiftung funktioniert, also ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen kann und im Sinne des Stiftungszwecks agieren kann, braucht es aber eine Reihe von Organen. Unbedingt notwendig sind Stiftungsvorstand, Stiftungsprüfer und gegebenenfalls ein Aufsichtsrat.
Das Privatstiftungsgesetz ist ein noch relativ junges Gesetz aus dem Jahr 1993. Nach knapp 30 Jahren ist nun ein guter Zeitpunkt, die gemachten Erfahrungen einzusetzen und Verbesserungen durchzuführen. Denn: Geschriebenes Stiftungsrecht und gelebtes Stiftungswesen stehen teilweise im Widerspruch.
Nach ersten Generationswechseln sowie erster Erfahrung mit Alter und Krankheit stiftungsrelevanter Betroffener und den Folgen der Versteinerung der Privatstiftung zeigt sich in Teilen die Notwendigkeit einer Anpassung ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei geht es in erster Linie um mehr unternehmerische Flexibilität.
Die größten Vorurteile
Die Privatstiftung ist eine komplexe Rechtsform und mit vielen Mythen und Vorurteilen behaftet. Finden Sie heraus, was hinter diesen Aussagen steckt.
Stiftung als Steuerschlupfloch: Stimmt nicht!
Stiftungen nützen nur den Begünstigten und das Geld ist eingefroren: Zu kurz gedacht
Stiftungen sind intransparent: Im Gegenteil!
Steuerliche Anreize, die es ursprünglich für die Übertragung von Eigentum auf Stiftungen gab, sind sukzessive weggefallen. Einzig verblieb die Möglichkeit der Übertragung von bei einer Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven auf eine neu angeschaffte Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.
Da rund 2/3 der Privatstiftungen direkte oder indirekte Beteiligungen an Unternehmen halten, nützen Privatstiftungen letztlich allen: dem Arbeitsmarkt, dem Allgemeinwohl, der Volkswirtschaft. Aufgrund der Vielfalt der bestehenden Privatstiftungen werden zahlreiche weitere Impulse gesetzt: (Produkt-)Innovationen, Klimaschutz, Digitalisierung. Damit ist das in einer Privatstiftung liegende Kapital nicht starr eingefroren, sondern wird dynamisch und dem Zweck entsprechend eingesetzt. Verlässlich verbleiben aber Werte, Firmensitze und Innovationsstandorte in Österreich.
Privatstiftungen sind weder in Bezug auf ihre Berechtigten noch auf ihre unternehmerischen Vermögenswerte intransparent. Die Transparenz ist zurecht gesetzlich verankert. Durch das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG) wurden auch Stiftungen verpflichtet, Daten zu ihren „wirtschaftlichen Eigentümern“ (u.a. Stifter und Stifterinnen, Begünstigte, Stiftungsvorstand) zu melden, die jeder einsehen kann. Österreich ist hier im internationalen Vergleich an vorderster Front.
Eine Reihe weiterer Vorschriften sichert das Prinzip der gläsernen Stiftung: Sie unterliegen dem Körperschaftssteuergesetz, müssen dem Finanzamt gemeldet werden, dort auch die wichtigsten Dokumente einreichen und sie sind ausnahmslos im Firmenbuch einzutragen. Dort sind übrigens auch alle Daten über die Beteiligungen von Privatstiftungen zu finden, da es sich in der Regel um Kapitalgesellschaften mit hohen Anforderungen an die Transparenz handelt.